Im Gegensatz zu meiner Freundin dachte ich immer: Theater, das ist nichts für mich. Sie hat schon auf verschiedenen Bühnen gespielt, und ich habe ihr aus dem Publikum zugejubelt. Schön für sie, bequem für mich.

Doch im vergangenen Herbst hat sie mich überredet, bei „Orlando“, einem Projekt des Wiesbadener Staatstheaters, mitzumachen. Und so stand ich plötzlich an jedem Montagabend auf der Probebühne und lernte, wie man als Schauspieler geht, wohin man seinen Blick richtet, wie man kleine Szenen improvisiert und verschiedene Rollen mit Leben füllt.

Das Stück „Orlando“ basiert auf einer Romanvorlage von Virginia Woolf. Es handelt von einem jungen Mann, der im 16. Jahrhundert in England geboren wird und, statt zu altern, nacheinander das elisabethanische, das viktorianische und das moderne Zeitalter erlebt, wobei er sich im Laufe seines 300jährigen Lebens auch noch in eine Frau verwandelt.

Unsere von Publikum und Presse sehr gut aufgenommene Fassung dieses Stoffes ist vor allem unterhaltend, in weiten Teilen sogar lustig. Wir haben sie mit der Hilfe zweier fabelhafter Dramaturginnen, Anne Tysiak und Laura zur Nieden, selbst entwickelt. Monatelang wurde improvisiert, diskutiert, geschrieben und geprobt. Erst jeden Montagabend und dann an immer mehr Wochenenden. Kurz vor der Premiere im Juni waren wir fast täglich auf der Bühne. Stundenlang. Bis kurz vor Mitternacht. Und ich habe nicht nur einmal gedacht: Jetzt reicht es mir. Das wird ja sowieso nichts. Ich steige aus.

Dass ich doch dabeigeblieben bin, lag an der Gruppe meiner Mitspieler und an der Musik: Ich spiele begeistert Klavier, Gitarre und Saxophon – und das darf ich bei „Orlando“ ausleben. Besonders freue ich mich über eine kleine, selbst komponierte Passage, in der ich singe und mich auf dem Piano begleite. Und auf einmal hat sie mich erwischt: die Leidenschaft „Theater“.

Was ich anfangs auch nicht erwartet habe: Die gemeinsame Arbeit hat uns als Gemeinschaft zusammengeschweißt. Plötzlich hat die Begeisterung alle erfasst. Und das bei Teilnehmern zwischen 14 und 88 (!) Jahren: eine wirklich tolle Truppe.

Dann kamen die umjubelte Premiere in der Wartburg und schließlich noch unser Auftritt beim „Local-Players-Festival“ in Mainz. Mit jeder Show wurden wir sicherer, von Mal zu Mal hatten wir mehr Spaß. Und inzwischen steht fest: „Orlando“ geht in die nächste Spielzeit. Wiederaufnahme ist am 30.10. in der Wartburg. Ich kann es kaum abwarten, wieder auf den Brettern zu stehen, die die Welt bedeuten. Und ich weiß, allen meinen Mitspielern geht es ganz genauso.

Link zu weiteren Infos, Terminen und Tickets: https://www.staatstheater-wiesbaden.de/programm/spielplan/orlando/